Porträt einer fulminanten Erzählerin
Zsuzsa Bank
Die französische Literaturzeitschrift "Lire" prophezeit ihr eine große Zukunft in der europäischen Literatur. Gut möglich, denn mit den beiden Büchern, die Tochter ungarischer Emigranten bis jetzt vorgelegt hat, hat sie bereits einiges Aufsehen erregt.
8. April 2017, 21:58
Die französische Literaturzeitschrift "Lire" prophezeit ihr eine große Zukunft: Die in Frankfurt lebende Schriftstellerin Zsuzsa Bank, so meint die "Lire"-Redaktion, wird eine bedeutende Rolle in der europäischen Literatur der kommenden Jahre und Jahrzehnte spielen. Für den 2002 erschienenen Roman "Der Schwimmer" hagelte es begeisterte Kritiken und ein halbes Dutzend Preise.
Nicht ohne mein Notizbuch
Zsuzsa Bank sitzt im Erdgeschoß eines gediegen eingerichteten Wohnhauses im Frankfurter Stadtteil Dornbusch. Hier, in einem der so genannten besseren Viertel, wohnt sie zusammen mit Mann und Kindern, hier widmet sich die aparte Frau mit dem hochgesteckten schwarzen Haar dem, was ihr Berufsleben zu allererst ausmacht: dem Schreiben. Zsuzsa Bank zeigt auf den Notizblock vor ihr auf dem Tisch, ein unersetzliches Arbeitsgerät für eine, deren Texte ihre Intensität nicht zuletzt aus der Vielzahl akkurat beobachteter Details beziehen.
Der Notizblock ist unerhört wichtig für mich. Er gehört zu den Dingen, die ich sofort einpacken würde, wenn es hier im Haus zu brennen begänne. Das ist mein Schatz, das ist mein Leben, da ist fast alles festgehalten, was mir in den vergangenen Jahren eingefallen ist und was in den nächsten Roman oder die nächste Erzählung einfließen wird. Es ist dieses kleine Moleskin-Heftchen, das Sie sicher kennen, mit dem Bändchen, dieser Klassiker, den ja angeblich schon Bruce Chatwin hatte (lacht).
Nun lassen sich Zsuzsa Banks Texte mit denen Bruce Chatwins ganz und gar nicht vergleichen. Schon in ihrem Roman "Der Schwimmer" schlägt die Tochter ungarischer Emigranten jenen schwerblütigen Verlorenheitston an, der auch ihre Erzählungen zu kleinen melancholischen Sprachkunstwerken macht. Ach Gott, die Melancholie!
Ist Zsuzsa Bank wehmutsvoll?
Das glaube ich nicht so sehr. Ich bin eher ein ängstlicher Mensch. Das hat mit meiner Angst vor Vergänglichkeit zu tun, vor Abschieden, letztlich vor dem Tod. Das ist ein Thema, das mich sehr beschäftigt, obwohl das banal klingt. Ich kann mir niemanden vorstellen, der sich nicht damit beschäftigt. Mir stellt sich eher die Frage: Wie können wir so selbstvergessen leben, wo wir doch ständig wissen, daß wir sterben müssen. Wieso laufen wir nicht schreiend auf die Straße, werfen uns hin, wieso protestieren wir nicht dagegen, dass uns das angetan wird? Das ist es, was mich beschäftigt, es ist diese Ängstlichkeit, diese Grundangst.
Eine Grundangst, die auch durch Zsuzsa Banks Roman "Der Schwimmer" spukt, eine tieftraurige Geschichte von zwei Kindern, Kata und Isti, die zusammen mit ihrem Vater eine elegische Odyssee durch das Ungarn der 1950er und 1960er Jahre unternehmen. Ihre Mutter hat sie verlassen, ist abgehauen in den Westen, ein Verlust, über den weder der Vater noch die Kinder hinwegkommen. Die Bewegungslosigkeit des poststalinistischen Alltags bannt Zsuzsa Bank in starke, bezwingende Bilder:
Budapest war grau. Wo ich hinsah, sah ich nichts als Mauern, Türen, Wände. Auf der Straße schaute ich hoch in den Himmel, in diesen schmalen Streifen aus Blau. Ich wollte weg. Ich wünschte, meine Mutter würde uns abholen und zurückbringen. Ich wusste, es würde nicht geschehen. Es war, als habe jemand alle Uhren zum Stehen gebracht, als liefe die Zeit für uns nicht weiter. So, als habe man Isti und mich in Sirup fallen lassen und dort vergessen.
Das Verhältnis zum Vater
Es ist keineswegs ihre eigene Geschichte, die Zsuzsa Bank in ihrem Debütroman erzählt. Die 41-jährige ist in Frankfurt am Main geboren, als Tochter ungarischer Emigranten, die sich nach dem Aufstand von 1956 nach Deutschland abgesetzt haben. An ihre Kindheit hat die Autorin überwiegend positive Erinnerungen. Entgegen sämtlichen Ungarn Klischees müssen die Banks eine doch recht daseinsfrohe Emigrantenfamilie gewesen sein. Dabei hatten sie es alles andere als leicht gehabt im ach so goldenen Westen.
Meine Eltern lernten sich erst auf der Flucht kennen, die kannten sich in Ungarn gar nicht. Sie standen vor dem völligen Nichts, sie hatten gar nichts, keine Familie, keine Unterstützung, kein Geld, gar nichts. Sie lebten sehr, sehr armselig. Sie haben dann einfach nur gejobbt. Irgendwann hat er es dann geschafft, einen kaufmännischen Beruf bei einer amerikanischen Firma zu haben. Da war er dann sehr glücklich, musste nicht mehr diese ganze Jobberei machen.
Ihr Vater, resümmiert die Autorin, sei ein traditionalistischer Ungar von altem Schrot und Korn. So hat er ihr etwa das Fußballspielen verboten. Bildung dagegen sei zum Beispiel groß geschrieben worden im Bankschen Haushalt. Von Kindesbeinen an ist Zsuzsa zur fanatischen Leserin erzogen worden.
Abkehr vom Land der Eltern
Der Autorin Verhältnis zum sehnsuchtsverklärten Traumland ihrer Kindheit hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt:
Es ist ein sehr gespaltenes Verhältnis. Das Ungarn, das ich gekannt und wahnsinnig geliebt habe, gibt es nicht mehr. Anfang der 90er habe ich Ungarn wieder besucht, gleich nachdem die Mauern eingerissen waren und Ungarn sich sofort und gnadenlos an den Neokapitalismus, an den Turbokapitalismus verkauft hat. Ich war absolut entsetzt. Ich fand das einfach nur furchtbar: den Totalausverkauf, die Aggressivität überall, die Verwahrlosung, die Hektik, das verzweifelte Bemühen, ja nicht zu kurz zu kommen.
Das jüngste Buch
Vielleicht ist diese Skepsis gegenüber dem magyarischen Neokapitalismus mit ein Grund, daß Ungarn kaum mehr eine Rolle spielt in Zsuzsa Banks zweitem Buch, dem Erzählband "Heißester Sommer". Zwölf Geschichten versammelt dieser Band, atmosphärisch dichte, poetische funkelnde Texte aus der globalisierten Welt von heute, Texte, die vom Abschiednehmen handeln, vom Verlust geliebter Menschen, vom Zerschellen analgetisierender Illusionen. Schauplatz der Geschichten: Frankfurt am Main und das Friaul, die tropischen Strände Westaustraliens und die Künstlerszene in Washington D.C.
Wie bringt sie Intensität in Texte: "Wie ich das genau mache, weiß ich nicht. Ich habe keine Liste, an der ich nacheinander abhake, was ich geschafft habe. Das funktioniert so nicht. Es ist ein sehr intuitives Arbeiten. Was bei mir immer da ist, ist der erste Satz. Das war auch beim Roman so. Und dieser erste Satz ist die Vorwegnahme der ganzen Geschichte, eine Kurzzusammenfassung, ein Ausblick auf die folgenden Seiten. Diesen ersten Satz, wie Gottfried Benn sagte, geben die Götter. Der Rest ist Arbeit."
Nimmt man die Qualität ihrer Texte als Maßstab, scheint Zsuzsa Bank die Gunst der Götter bereits zu genießen. Eine harte Arbeiterin ist sie zudem. Was soll da noch schief gehen? Derzeit arbeitet die Autorin an ihrem dritten Buch.
Service
Zsuzsa Bank, "Heißester Sommer", Fischer Verlag 2005, ISBN 3100052218
Zsuzsa Bank, "Der Schwimmer", Fischer Verlag 2002, ISBN 310005220X